Abgrenzung von Beruf und Privatleben

Erweiterte Erreichbarkeit: Warum die Abgrenzung von Beruf und Privatleben wichtig ist. Die veränderte Arbeitswelt bringt es mit sich, dass viele Beschäftigte örtlich und zeitlich flexibel arbeiten können. So nutze auch ich die abendliche Zugfahrt zu einem Seminarhotel, um diesen Text zu verfassen. Mit dem Laptop auf den Knien sitze ich im Zug und tippe vor mich hin – nämlich darüber, dass durch die zunehmende Flexibilisierung der Arbeit die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und wie sich das auf uns auswirkt. Vertieft in meinen Text höre ich: „Nächster Halt Linz“. Ich denke: „Okay, mir fehlt nur noch der Schlussabsatz, jetzt schnell speichern und den Laptop in die Tasche. Den Rest kann ich abends im Hotel fertig schreiben …“ Als mir diese Gedanken durch den Kopf zischen, muss ich über mich selbst schmunzeln und verwerfe den Plan gleich wieder. Ich bin Arbeitspsychologin bei der AUVA und was erweiterte Erreichbarkeit bedeutet, wie wir sie als Vorgesetzte aber auch als Arbeitnehmer:innen gut gestalten können, das lesen Sie in meinem Artikel – den ich am nächsten Tag fertiggestellt habe.

Obwohl ich gerade viele Zeilen über die Wichtigkeit der abendlichen Ruhezeit geschrieben hatte, ertappte ich mich dabei, wie ich den Text in meiner Freizeit „noch schnell“ zu Ende schreiben wollte. Dieses Verschwimmen der Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit ist auch unter dem Begriff der „erweiterten Erreichbarkeit“ bekannt, die als weitgehend ungeregelte Form der Verfügbarkeit von Beschäftigten außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit für berufliche Aufgaben verstanden werden kann.

Nur noch schnell die Mails checken

Aber was ist denn jetzt so schlimm daran, wenn ich in meiner Freizeit noch etwas für die Arbeit erledige, zum Beispiel noch meine E-Mails checke?

Überlegen Sie für sich selbst, ob es in Ordnung ist, wenn Sie in Ihrer Freizeit, im Urlaub oder im Krankenstand kontaktiert werden. Bei vielen wird die Antwort lauten: Kommt darauf an. Ist es gerade 30 Minuten nach meinem Arbeitsende oder 23 Uhr nachts? Wie oft werde ich in der Freizeit kontaktiert? In welcher Form (Anruf, E-Mail, WhatsApp) etc.?

Natürlich kann es auch Vorteile haben, in der Freizeit erreichbar zu sein. Es kann zu einer schnelleren Kommunikation beitragen und Kolleg:innen unterstützen, die nicht lange auf Entscheidungen warten müssen und somit zügig weiterarbeiten können. Dies erhöht vermeintlich die Effizienz und Produktivität. So gibt es keine „bösen Überraschungen“ am nächsten Morgen. Auch die Zufriedenheit der Kund:innen kann dadurch gesteigert werden.

Das bringt Arbeitnehmer:innen oft dazu, in der Freizeit doch noch zu arbeiten. Auf lange Sicht kann ständige Erreichbarkeit jedoch Belastbarkeit und Produktivität negativ beeinflussen. Umso wichtiger ist es, die Arbeitnehmer:innen für das Thema zu sensibilisieren und darauf hinzuweisen, dass es Warnsignale gibt, die deutlich machen, dass fehlende Ruhephasen die Gesundheit beeinträchtigen.

Warnsignale beachten

Wenn man sich nur noch gestresst fühlt und durch den Erreichbarkeitsdruck nicht mehr abschalten kann, funktioniert die Distanzierung von der Arbeit nicht mehr gut. Gerade bei mobiler Arbeit oder Arbeit im Homeoffice verschwimmen die Grenzen häufig. Doch auch hier gelten die Vorgaben der Arbeitszeitvereinbarung, die festgelegten Arbeits- und Erholungszeiten sind daher einzuhalten. Normalerweise sollten wir nach der Arbeit noch ein paar Stunden Freizeit haben, die wir genießen können, um abzuschalten und dann erholt schlafen zu können.

Wenn diese Entspannungsphase aber immer wieder unterbrochen wird, weil man an die Arbeit denken muss oder zum Beispiel eine E-Mail liest, dann wird das Abschalten erschwert. Das kann dann dazu führen, dass man länger braucht, um einzuschlafen oder nicht durchschlafen kann. Diese Personen liegen dann wach und grübeln über die Arbeit und die Aufgaben, die am nächsten Tag anstehen.

Weitere negative Folgen können Unruhe, Ermüdungserscheinungen, Stress, körperliche Symptome wie Magen-Darm-Beschwerden, Ohren- oder Rückenschmerzen oder auch Infektionen bis hin zu Stimmungsschwankungen und verminderter Konzentrationsfähigkeit sein.

Präventive Maßnahmen auf Team-Ebene

Das Abschalten von der Arbeit ist daher in der digitalen Zusammenarbeit eine wichtige gesundheitsförderliche Ressource für Beschäftigte und Führungskräfte. Mit den Mitarbeitenden sollten Regeln zu folgenden Punkten vereinbart bzw. besprochen werden:

  • Festlegen von Zeiten der Nicht-Erreichbarkeit
  • Einhalten der Erholungs- und Regenerationszeiten
  • Welche Kommunikation kann aufgeschoben werden, welche Ausnahmen gibt es für Notfälle?
  • Vertretungsregelungen im Team festlegen, damit in der Abwesenheit Themen auch fachlich übernommen werden
  • Erreichbarkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit ist auch Arbeitszeit und muss bei Inanspruchnahme abgerechnet werden.

Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel vorangehen, damit die Regelungen akzeptiert werden. Die besten Regelungen nützen nichts, wenn sie nicht eingehalten werden.

Präventive Maßnahmen für alle Mitarbeitenden

  • Achten Sie auf genügend Erholungsphasen
  • Definieren Sie die eigenen Arbeitszeiten: Heute mache ich um xx Uhr Feierabend.
  • Unerledigte Aufgaben bleiben im Gedächtnis und beschäftigen uns lange. Versuchen Sie daher gegen Ende des Arbeitstages offene Aufgaben möglichst abzuschließen oder
  • notieren Sie Aufgaben, die zum selbst festgelegten Feierabend noch nicht abgeschlossen sind, auf einer To-Do-Liste für den nächsten Tag.
  • Räumen Sie nach der Arbeit im Homeoffice die Unterlagen weg, damit diese nicht mehr im Blickfeld sind.
  • Führen Sie im Homeoffice Rituale für den Beginn der Freizeit ein, zum Beispiel Spazieren gehen, Freizeitkleidung anziehen oder eine Tasse Tee trinken.
  • Lesen Sie in der Freizeit möglichst keine dienstlichen E-Mails.
  • Respektieren Sie die Freizeit Ihrer Kolleg:innen.

Die AUVA bietet im Rahmen ihrer aktuellen Präventionskampagne „Gemeinsam sicher digital“ Publikationen, Veranstaltungen und Beratungen zum Thema New Work sowie virtuelle Führung an. Betriebe und Präventivfachkräfte profitieren von vergünstigen AUVA-Fortbildungen, wie etwa dem Seminar „Gestaltung erweiterter Erreichbarkeit“ am 7. Mai 2025. Alle Informationen finden Sie auf der Website Gemeinsam sicher digital.

 

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

Mag.a Sylvia Ebner | Fachbereich Arbeitspsychologie AUVA-Hauptstelle